Freitag, 14. November 2014

Egovegan

 I believe I was wrong
Probably most of my life
Am I just hearing you wrong?

~The Airborne Toxic Event~


Wenn man so unbedarft mit einem neuen Plan (z.B. veganer Ernährung) losmarschiert, wie ich das manchmal so mache, dann ist man doch hin und wieder überrascht, was für Reaktionen einem entgegenschlagen.

Mein Lieblingskollege sah mich an, als hätte ich gerade gestanden, früher ein Mann gewesen zu sein (eigentlich hat ER dieses Gerücht ja mal in Umlauf gebracht.... aber naja) und stammelte dann nur: "Warum, warum, warum?"
Unsere wunderbare Küchenfee bei der Arbeit hatte fast einen Nervenzusammenbruch ("Seid ihr jetzt alle irre?!" - Aha! Bisher galt ich also noch als normal!) als sie erfuhr, dass ich in Zukunft das vegane Essen mitessen möchte.
Wohlweislich wollte ich es meinen Eltern gar nicht erst erzählen. Aber der KB ist halt eine Petze. So kam die unausweichliche Diskussion mit meinem Vater darüber, ob ich meinen Bedarf an Diesem und Jenem ohne tierische Lebensmittel überhaupt decken könne, während meine Mutter da saß wie das Kaninchen vor der Schlange und sich wahrscheinlich den Kopf zerbrach, womit sie mich in Zukunft verwöhnen kann, wenn ich zu Besuch komme.

Aber das Gute ist ja, dass ich gar nicht politischvegan bin. Ehrlich gesagt bin ich nicht mal zuendegedachtvegan. Ich hab z.B. mehrere Lederaccessoires, die ich heiß und innig liebe. Ich interessiere mich nicht dafür, herauszufinden, an welch versteckten Orten der Herstellungskette ein nichtveganes Element hineingespielt haben könnte. (Wusstet ihr zum Beispiel, dass einige Weine durch Fischblasen gefiltert werden und somit nicht vegan sind? Muss man veganes Gedankengut verherrlichen, um das unappetitlich zu finden? Ich finde nein. Aber Wein mochte ich eh noch nie.)
Auch zur Mission habe ich mich noch nie berufen gefühlt und tue es jetzt immer noch nicht  - außer vielleicht für Blutspenden und die DKMS.
Interessanterweise fangen 80% der Leute an, sich für ihre omnivore Ernährung zu verteidigen, als hätte ich ihnen einen Vorwurf gemacht und nehmen schon alle Gegenargumente vorweg, damit ich gar nicht erst anfangen von "den armen Tieren" zu reden.
Dabei habe ich das gar nicht vor. Eigentlich will ich nur sagen, dass ich weitestgehend keine tierischen Produkte essen möchte.

Der einzige Grund für mich, vegane Ernährung auszuprobieren, war Neugier. Ich esse wahnsinnig gern und entdecke auch gern neue Geschmackskompositionen. Wider Erwarten fand ich ad hoc nur vegane Gerichte, die mir geschmacklich eine Riesenfreude bereiteten und als willkommener Nebeneffekt war das Körpergefühl nach veganen Mahlzeiten angenehmer als sonst. In der Hundeerziehung spräche man wohl von selbstbelohnendem Verhalten. Und darum gibt es in meinem Alltag so gut wie keine Nahrungsmittel mehr, die tierische Produkte enthalten.

Aber da ich trotz meiner Ernährungsumstellung immer noch ich bin, kann ich bei manchen Dingen einfach nicht Nein sagen, wenn sie mir angeboten werden. 
Ein leckeres Stück Ziegen- oder Stinkekäse lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Bei der Lindt-Weihnachtsschokolade im Supermarktregal konnte ich nicht stark bleiben.
Wenn beim Freitagskaffeetrinken auf der Arbeit Donauwelle kredenzt wird, sitze ich als Erste am Tisch.
Beim Essen meiner Mama kann ich nicht widerstehen - und hatte es auch nie vor.

Bin ich also überhaupt Veganerin?
Ich werde mich zukünftig als Genussveganerin vorstellen. Und hoffe, dass sich dann keiner mehr genötigt fühlt, sich für seine Ernährungsweise zu verteidigen.

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