Unüberbrückbar? |
Geboren
als uneheliches Kind einer Deutschen und eines Nigerianers wurde Jennifer Teege
kurz nach ihrer Geburt in ein Kinderheim gegeben. Sie wuchs in einer Pflegefamilie
auf, die sie schließlich auch adoptierte. Zum Studieren ging Jennifer Teege
nach Israel. Zurück in Deutschland gründete sie eine Familie. Und entdeckt
eines Tages in einer Bücherei ein Buch, in dem ihre leibliche Mutter interviewt
wird – es geht um deren Vater, den KZ-Kommandanten Amon Göth.
In
ihrem Buch „Amon. Mein Großvater hätte mich erschossen“ schildert Jennifer
Teege ihren Weg der Auseinandersetzung mit der Wahrheit über ihre Vorfahren.
Die Textpassagen, in denen Teege sehr persönlich berichtet, werden unterbrochen
von Absätzen, die Hintergrundwissen in Form von Fakten und Zeitzeugenberichten
vermitteln. Das Buch liest sich flüssig, verliert sich nicht unnötig in Emotionalität
oder Schilderungen des Grauens, verschließt gleichzeitig aber nicht die Augen
vor den Tatsachen, sei es die Grausamkeit Göths oder die schweren Depressionen,
die Jennifer Teege lange Zeit begleiten.
Teege
gelingt es, die Loyalität zur eigenen Familie und die Verurteilung der
(Un-)Taten der Verwandten nebeneinander zu stellen und beides für sich anzuerkennen.
Sie bringt deutlich zum Ausdruck, dass das Schweigen der Täter einen größeren
Schaden für die nachfolgende Generationen bedeutet als das Wissen darüber, was nahestehende
Personen getan oder gelassen haben.
Abschließend
schildert Teege, wie sie mit ihren israelischen Freunden wieder in Kontakt
geht, denen sie während der Auseinandersetzung mit ihrer Familiengeschichte aus
dem Weg ging, ohne dass diese wussten, warum. Die Annäherung gelingt und findet
ihre Fortsetzung in der Auseinandersetzung über den Holocaust mit der nun
nachfolgenden Generation.
Trotz
der Schwere des Themas bleiben jederzeit die Klarheit und Stärke spürbar, die Jennifer
Teege auszeichnen und die unübersehbar sind, wenn man sie z.B. Fernsehinterviews
erlebt. Nach dem Lesen des Buchs bleibt die Hoffnung auf die Überwindbarkeit
von Scham und Wut, mit denen die nachfolgenden Generationen der Täter und der
Opfer konfrontiert sind.
Jennifer Teege, Nikola Sellmair: Amon. Mein Großvater hätte
mich erschossen. Reinbek bei Hamburg, 2013
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